Tanja Sokolnykova und Nello Fragner im Gespräch
Warum ist es wichtig, dass unser Körper in der diskriminierungskritischen Bildungsarbeit aktiv beteiligt ist? Wie wirken sich die verschiedenen Dimensionen von Trauma auf unseren Körper und unsere Beziehungen zueinander aus? Welche Vorurteile und Widersprüche sind mit Trauma verbunden? Wie können wir das Wissen des Körpers für unsere Bemühungen nutzen, kollektive (Ver-)Lernprozesse rund um soziale Macht, Privilegien und Unterschiede sensibler und nachhaltiger zu gestalten? Tanja Sokolnykova, ehemaliges Teammitglied der KontextSchule, und Nello Fragner, ehemalige*r Teilnehmer*in der KontextSchule und ehemaliges Mitglied des Beirats, erforschen die Beziehung zwischen Unterdrückungs-systemen und Verkörperung und untersuchen Lehren und Lernen aus einer traumasensiblen Perspektive.
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Tanja: Um dieses Gespräch zu beginnen, gehe ich zurück zu den Ereignissen, die mich hierher geführt haben. Sie beruhen auf gelebten Erfahrungen, die in meinem Körper nachklingen...
Die letzten Jahre waren für mich geprägt von Burnout, das einsetzte, als die erste Welle von Covid Deutschland erreichte. Einige Monate später stieß ich zum Team der KontextSchule, während sich die Zeichen der Erschöpfung und Zerrüttung weiter manifestierten. Genau zu dieser Zeit kam ich zurück nach Berlin, um mich hier niederzulassen, aber meine Aufenthaltsgenehmigung lief ab. Die deutschen Botschaften waren bis auf Weiteres geschlossen und die Ausländerbehörde in Berlin lehnte meinen Antrag immer wieder ab. Ohne die Erlaubnis, in Deutschland zu arbeiten, den Zugang zu Sozialleistungen, eine feste Unterkunft – inmitten des Lockdowns fühlte ich mich wieder auf meinen Pass reduziert, der mich an meinen Herkunftsort verwiesen hat. Ein Ort, der in Europa und gleichzeitig außerhalb seiner Grenzen von Privilegien liegt. Ein Ort, wo die EU endet und die imaginäre Peripherie beginnt. Ein abwesender Ort im westlichen Denken, versteckt hinter einem verallgemeinerten und abwertenden ›Osten‹-Begriff. So privilegiert ich auch war, da ich von geliebten Menschen umgeben war, die mich unterstützten und mir halfen, die finanziellen Herausforderungen zu meistern, so wurde ich doch von Rückblenden in die Vergangenheit überwältigt, die aus meiner Magengrube aufstiegen. Vor elf Jahren verließ ich die Ukraine. Mein Fortgehen stand in direktem Zusammenhang mit Europäisierungsprozessen, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion stattfinden, und die mit hegemonialen Strukturen der Unterordnung und Abhängigkeiten einhergehen, in welche die sogenannte ›Integration‹ Osteuropas innerhalb westlicher Strukturen des Neoliberalismus und Kapitalismus eingebettet ist. Dieser Prozess schließt auch die ›Integration‹ von Körpern ein, welche in der EU die Arbeitslücken in Pflegeheimen und auf Baustellen schließen. Die Körper, die trotz der globalen Pandemie und Lockdown, nach Deutschland einreisen dürfen, um fleißig Spargel und Erdbeeren zu ernten. Die Körper, die zur Prostitution gezwungen werden. Die Körper, deren intellektuelle Leistungen outsourced werden. Die Körper, die bereit sind, billige Arbeit zu verrichten und sich für prekäre Arbeitsbedingungen nicht zu beschweren, sondern im Gegenteil sich dafür zu bedanken, was es gibt. Diese koloniale Machtdynamik bestimmt nicht nur die lokalen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen, sondern auch das Selbst-verständnis der Menschen und erzeugt bei Ukrainer*innen und Migrant*innen aus postsowjetischen Gebieten weiterhin Gefühle der Unzulänglichkeit und Rückständigkeit. Damals schämte ich mich für meine kulturellen Wurzeln und empfand mich als Lücke, entleert von Subjektivität, die vom russischen Imperialismus und der Dominanz westlicher Normen der individuellen Freiheit zerrissen wurde. Ich bin nach Deutschland gegangen, wo ich mich als low-cost Babysitterin und Putzfrau ausbeuten ließ. Mein Körper wurde der ›Integration‹ unterworfen. Ich war eine 20-jährige Migrantin, weiß, und erlebte dennoch Antislawismus, eine Frau aus einer Arbeiter*innenfamilie des postindustriellen und ländlichen Südens, die auf den Schultern der Geschichte meiner Vorfahren mit dem Völkermord Holodomor , dem Exil, dem Zweiten Weltkrieg und anderen unausgesprochenen Spuren von Gewalt, aber auch von Widerstandsfähigkeit stand. Während dieser Jahre exzessiver Überlebensarbeit in Deutschland begannen meine europäischen Illusionen sehr schnell zu zerfallen, während mir bewusst wurde, wie ich durch die Strukturen von Herrschaft und Unterdrückung definiert wurde. In dieser Zeit des Lernens aus Erfahrung begann ich jedoch, die Systeme der Ungleichheit zu verstehen, ein wertvoller Prozess der gelebten Schulung, der meinen Weg und meine Praxis als Kunst- und Kulturvermittlerin und somatische Praktikerin geprägt hat und weiterhin prägt. Und dennoch, als ich den Burnout durchlebte, wurde mir klar, wie viele meiner eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen meiner Familie und Vorfahren, die ich in mir trage, nicht verarbeitet wurden, wie tief sie verinnerlicht und verkörpert sind und immer noch mein Wesen und meine Beziehungen zu anderen beeinflussen. Ich weiß nicht einmal, ob der Burnout auf die extrem stressige Situation zurückzuführen ist, in der ich mich befand, oder auf die Trauer und das Gefühl der Nichtzugehörigkeit, das sich einstellte. All dies war mit dem globalen Gefüge sozialer Ungerechtigkeit verwoben, das durch die Pandemie und das Ausmaß der Polarisierung und der körperlichen und mentalen Gesundheitsprobleme noch verstärkt wurde. Gleichzeitig habe ich in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, wie emotional heraus-fordernd und konfliktreich Aktivismus und Bildungsarbeit rund um soziale Macht, Privilegien und Unterschiede sein können, da sie oft mit Dynamiken von Schuldzu-weisungen, Reaktivität sowie Defensivität verbunden sind, während der Kommunikations- und Verhandlungsprozess größtenteils nur auf der kognitiven Ebene stattfindet, losgelöst vom Körper, wo die Muster des unterdrückenden oder unterdrückten Verhaltens angesiedelt sind (siehe dazu Fragner und Harder in diesem Band, Seiten 66ff. und 173ff.).
Und so bin ich hier, um gemeinsam die Momente von Krisen und Konflikten zu erforschen und die Möglichkeiten zu erkunden, wie wir Lösungen entwickeln und persönlich und kollektiv mehr Raum in Arbeits- und Lernkontexten für Traumabewusstsein und Heilung, Selbstfürsorge und Verkörperung beanspruchen können, was alles entscheidend ist, um Selbstreflexion, Handlungsfähigkeit und Zusammenarbeit zu unterstützen...
Nello: Ich bin eine nicht-binäre trans Person. Das bedeutet, dass sich die Leute in meiner Nähe meistens unwohl fühlen. Mein Körper und seine mangelnde Bereitschaft, in die binäre Geschlechterordnung zu passen, scheinen sie daran zu erinnern, dass erstens diese Ordnung existiert und eine sehr mächtige Struktur ist und zweitens, dass es viele Möglichkeiten gibt, im Widerstand gegen diese Machtstruktur zu existieren, sich selbst zu erfinden, den eigenen Körper und das eigene Selbstbild durch den feindseligen Alltag zu tragen und dies mit Würde, Humor und Wut zu tun... Und schließlich scheint es sie daran zu erinnern, dass Geschlecht, wie auch viele andere soziale Kategorien, nicht selbstverständlich sind. Sie verlangen harte Arbeit, jeden Tag, sie verlangen Opfer, sie können nur neben und durch ein extremes Maß an Gewalt existieren. Diese Gewalt ist vielleicht nur ein Blick, der mein Gesicht berührt und dann, da er keine Antwort findet (Mann oder Frau?), weiter nach unten wandert, bis er meine Brust erreicht und dann, unbefriedigt, zu meinem Schritt weitergeht. Dort verweilt er und versucht, die Form der vermuteten Genitalien zu erkennen, um dann, etwas enttäuscht und angewidert, wieder zu meinem Gesicht zu wandern, ohne zu bemerken, dass ich zurückschaue, dass ich die neugierige Berührung der Augen gespürt habe. Diese Art von Blick versucht, mich zu fixieren, aber auch auszulöschen, und ich weiß sehr wohl, dass es dabei nicht um mich geht, aber trotzdem landet er auf meinem Körper, verfolgt mich manchmal bis nach Hause. Es ist eine interessante Erfahrung, in einem Körper zu leben, von dem viele Menschen glauben, dass er nicht existiert (vgl. dazu auch Harder in diesem Band, Seiten 173ff. und 300ff.).
Außerdem bin ich weiß. Mit meinem weiß sein bin ich ein wenig in Berührung gekommen, nachdem ich einen sexuellen Übergriff von einer Person of Colour erlebt habe. Es war unheimlich verwirrend, zu hören: Du hast weiße Privilegien – während ich darum gekämpft habe, dass meine schmerzhafte und demütigende Erfahrung gesehen wird.
Mit meinem Umzug nach Deutschland, in einen anderen Kontext, wurde es für mich möglich, mit dieser Verwirrung, der Wut und dem Unbehagen umzugehen. Über Privilegien zu sprechen ist schwierig und komplex, denke ich. Manchmal mehr, manchmal weniger, und es kann auch sehr unangenehm sein. Ich würde nicht sagen, dass mir die Erfahrung dieses Übergriffs bei irgendetwas geholfen hat. Aber ich würde sagen, dass es ein harter Tritt in den Hintern war, der dazu führte, dass ich anfing, eine Menge Dinge zu hinterfragen. Zum Beispiel, wie in den akademisch informierten, linken, feministischen Räumen, die ich kennenlernen durfte, über Privilegien gesprochen wird. Oder – wie ich wieder in meinen Körper eintauchen kann, im Wissen darum, dass mein weiß sein und mein Queersein und mein Transsein und mein Arbeiter*innenklassesein gleichzeitig in mir, Bestandteile meines Körpers sein können, und dabei sehr reale Auswirkungen auf andere im Alltag haben, indem sie zur Unterdrückung und Verletzung anderer Körper benutzt werden können.
Rassistische Asyl- und Migrationspolitik wird beispielsweise mitunter mit dem ›Schutz‹ von Frauen und queeren Personen gerechtfertigt. Als weiße queere Person werde ich so für ein politisches Projekt in Anspruch genommen, welchem ich dann aktiv und immer wieder widersprechen muss. Queerfeindlichkeit als etwas, das von außen importiert wird, und dieser Stolz auf das angeblich so offene Deutschland – diese Vorstellungen begegnen mir oft, wenn ich mit Erwachsenen, aber auch mit Jugendlichen queere Bildungsarbeit mache.
In Deutschland gehen die meisten Menschen davon aus, dass ich Deutsche*r bin, wenn ich nichts anderes sage. Bevor ich mit meiner Transition begann, boten mir die Leute manchmal dieses Gefühl der Zugehörigkeit an, luden mich ins Deutschsein ein. Es ist an Bedingungen geknüpft. Es kann und wird mir genommen, wenn es offensichtlich wird, dass ich nicht das gewünschte Geschlecht, den gewünschten Klassenhintergrund, die gewünschte Nationalität, die gewünschte sexuelle Orientierung oder den gewünschten Familienstand habe. Ich werde zu einer Bedrohung, zu einer Störung. Trotzdem bin ich EU-Bürger*in, mit all den Privilegien, die damit einhergehen. Als Ursula von der Leyen vom »europäischen Schutzschild« gegen illegalisierte Migration sprach (O.A. 2020), befand ich mich auf dieser Seite des Schildes. Ich kann relativ leicht Jobcenter-Geld bekommen und Therapie beantragen, gleichzeitig sollte ich nichts dergleichen tun, wenn ich der Vorstellung eines*r erfolgreichen und für die Gesellschaft nützlichen Staatsbürger*in entsprechen will.
Wenn ich diese Aspekte meiner Biografie in meine Bildungsarbeit einbringe, verändert das den Eindruck, den die Teilnehmenden von mir haben. Ich setze ihren Annahmen etwas entgegen und mache Themen anhand meiner eigenen Anwesenheit besprechbar. Das macht mich verletzlich, gleichzeitig kann es den Raum eröffnen, komplexe und verwobene Machtverhältnisse zu betrachten.
Das alles hier zu beschreiben, wirkt sich unmittelbar auf meinen Körper aus. In den letzten Jahren bestand meine Arbeit vor allem darin, die Namen von verschiedenen Gefühlen zu lernen und wie sie sich in meinem Körper anfühlen: das Stechen der Wut, das Pumpen der Ungeduld, die ermüdende Schwere der Hoffnungs-losigkeit. Meine Arbeit bestand darin, etwas über Trauma und Stress zu lernen und zu erkennen, wo und wie sie sich in meinem Körper und in meiner Umgebung anhäufen. Meine Arbeit bestand darin, die Grenze zu verwischen zwischen dem, wovon ich gelernt habe, es sei gesund und dem, wovon ich gelernt habe, es sei krank oder verrückt. Dadurch wurde mir bewusster, wie verschiedene Formen von Stress, Schmerz und Diskriminierung miteinander verknüpft sind und sich direkt oder indirekt auf den Körper auswirken.
Für mich war und ist es wichtig zu verstehen, dass bei Diskussionen über Diskriminierung und Privilegien der Körper oft nicht berücksichtigt wird (vgl. dazu Harder und Vollrath in diesem Band, Seiten 173ff, 300ff. und 325ff.). In einigen Aktivist*innengruppen habe ich sehr komplexe Diskussionen miterlebt und daran teilgenommen, die sich über Stunden hinzogen, ohne dass wir eine Pause machten, ohne dass jemand das Fenster öffnete oder Snacks auf den Tisch stellte. Die Diskussionen wurden zu Streitereien, die Leute schrien und weinten, saßen es aus oder verließen den Raum. Obwohl ich unsere Versuche, komplexe, miteinander verwobene Themen wie Kollektivität, Intersektionalität, Unterdrückung und gemein-sames (Ver-)Lernen zu verhandeln, inzwischen mit mehr Verständnis betrachten kann, lässt mich der Gedanke daran, wie viel wir gewonnen hätten, wenn wir mehr über Stress und Trauma gewusst hätten, an manchen Tagen noch immer verzweifeln.
Mich selbst besser kennenzulernen – wie ich unter Stress funktioniere, wie ich auf herausfordernde und chaotische Situationen reagiere, was ich brauche, um mich zu erden, und was die Auslöser sind, die mich in Panik versetzen – ist für mich ein zentraler Teil der Arbeit, um zu verstehen, wie der Körper Teil des Lernens ist. Insbesondere, wenn wir etwas über Systeme der Unterdrückung und den Schmerz, den sie verursachen, lernen.
Tanja:... Der Prozess, mich selbst besser kennenzulernen, den du erlebst, steht in tiefer Resonanz zu dem Lernen, das ich durchmache. Während meiner Kindheit und Jugend nahm ich an einer langjährigen klassischen Tanzausbildung teil, die mein Interesse am Körper als Medium der Veränderung stark prägte, gerade weil der traditionelle Ansatz das Gegenteil bewirkte. Obwohl der Tanz als eine verkörperte Praxis gilt, wird der Körper wie in der formalen Erziehung als Objekt und Funktion betrachtet, die leicht an soziale Normen angepasst und durch Disziplin und Bevormundung unterworfen werden kann. Ein pädagogischer Ansatz, der unmöglich macht, sich mit dem Wissen zu verbinden, das in Empfindungen und gefühlter Erfahrung zur Verfügung steht. Anstatt sich selbst und anderen zuzuhören, eigene Bedürfnisse und Grenzen zu erkennen und auch die der anderen zu schätzen, wurden mir auf unterschiedlichsten Gesellschaftsebenen auf meinem Lebensweg Praktiken vermittelt, wie z. B. zu verurteilen, sich anzupassen oder von sich selbst zu entfremden. Es hat ein Jahrzehnt gedauert, bis ich wieder Zugang zu meinen Sinnen und Gefühlen fand und erkannte, wie tief sie gesellschaftlich konditioniert sind.
In den letzten Jahren habe ich an verschiedenen somatischen und bewegungstherapeutischen Gruppenpraktiken teilgenommen, die es mir ermöglichten, meinen Körper besser kennen zu lernen und meine Reaktionen und unruhigen Gefühle aus der Perspektive des Traumas anzuschauen. Leider betrachtet das vorherrschende westliche Kulturparadigma Trauma zumeist als einmaliges schwerwiegendes Ereignis und als eine Art Diagnose, während eine Person, die ein Trauma erlebt, pathologisiert und als dysfunktional verurteilt wird – ein Status quo, der Gespräche über Trauma stigmatisiert. Es ist immer noch Teil des vorherrschenden Diskurses, die Erfahrung eines Traumas als etwas Isoliertes und Persönliches zu betrachten. Die Verantwortung für die Heilung von Traumata wird an das Individuum delegiert, dem nur eine einzige Option angeboten wird – eine Stunde pro Woche zur Therapie zu gehen, allerdings nur, wenn dieses Privileg verfügbar ist. Aber, wie die*der Aktivist*in und Somatiklehrer*in Prentis Hemphill in vielen Interviews betont: » [...] Unterdrückung ist die Art und Weise, wie wir Trauma organisieren und unter uns verteilen« (Hemphill 2021), eine Perspektive, die unsere Aufmerksamkeit auf ein anderes Verständnis davon lenkt. Nämlich darauf, dass Trauma ein Ausdruck und eine Widerspiegelung von intergenerationellen, historischen und systemischen Wunden ist, und so auch politische Bedeutung trägt. Und wenn wir die Tatsache ernst nehmen, dass Machtverhältnisse, Voreingenommenheit und Diskriminierung zu traumatischen Erfahrungen und ständiger Re-Traumatisierung in Familien, Gemeinschaften und Institutionen führen, dann halte ich es für entscheidend – insbesondere im Kontext der diskriminierungskritischen Bildungsarbeit – mehr Verständnis dafür zu gewinnen, wie sich Trauma in unseren Körpern, Gruppendynamiken oder Organisationsstrukturen zeigt.
Mein Bestreben, den verschiedenen Dimensionen des Traumas mehr Kontext zu geben, ist von den Perspektiven zahlreicher somatischer Forscher*innen und Lehrer*innen, Therapeut*innen und Aktivist*innen wie Staci K. Haines, Resmaa Menakem, Rae Johnson und Adrienne Maree Brown geprägt, die Teil einer größeren Bewegung der politicized somatics [politisierten Somatik]und healing justice [heilenden Gerechtigkeit] sind, die im letzten Jahrzehnt in Nordamerika entstanden ist. Dieser verkörperte Ansatz für Aktivismus und Organisierung für social justice (soziale Gerechtigkeit) hat seine Wurzeln im dekolonialen Denken und im Schwarzen Feminismus, in der Intersektionalität, in der aktuellen Traumaforschung und in der praxisorientierten Theorie der Somatik. Es ist auch wichtig anzuerkennen, dass die Wurzeln tiefer gehen und dass diese Perspektive auf der Weisheit und den Traditionen des Buddhismus, des Taoismus und indigener Wissenssysteme aufbaut, die schon immer dem Körperbewusstsein und der Ganzheitlichkeit eine wichtige Rolle beigemessen haben. Ein gemeinsamer Standpunkt innerhalb dieser Bewegung ist der Fokus auf holistische (Ver-)Lernprozesse rund um die Arbeit für social justice [soziale Gerechtigkeit], die Denken, Fühlen, Spüren und Handeln einbezieht. Sie geht davon aus, dass der individuelle und kollektive Körper von Unterdrückungssystemen und historischen Bedingungen geformt wird, die verschiedene Dimensionen von Traumata schaffen und reproduzieren, die sich wiederum auf die physische, kognitive, emotionale, psychologische und Beziehungsebene auswirken und über Generationen weitergegeben werden können. Diese Perspektive stellt die übliche Situation therapeutischer und heilender Räume, die sich nicht mit den Bedingungen der Unterdrückung und den Machtverhältnissen befassen, denen sie möglicherweise auch zuarbeiten, in Frage. Sie stellt aber auch aktivistische und lernende Räume in Frage, die den Kontext des Traumas nicht berücksichtigen. Allerdings, wenn wir verschiedene Nuancen von Trauma genauer betrachten – welches Verständnis von Trauma liegt eigentlich unserem bisherigen Gespräch zugrunde? Und wie zeigt sich dieses genauer im Körper und im Beziehungsfeld?
Nello: Mein Eindruck ist, dass du so viele Aspekte angesprochen hast, die für ein politisches oder politisiertes Verständnis von Stress und Trauma entscheidend sind. Für mich, und ich denke auch für viele andere, ist es so wichtig zu verstehen, dass Trauma auf der Ebene von Individuen auftritt, aber auch auf der Ebene von Teams, Gruppen, Unternehmen, Gesellschaften (van Dernoot Lipsky/Burk 2009). All diese Einheiten können in körperliche und emotionale Zustände geraten, die mit Trauma verbunden sind: nichts macht mehr Sinn, alles ist verloren, die Welt ein gefährlicher Ort, ich/wir gegen die anderen, Gefühle überschwemmen uns, oder alles läuft wie ein Film ab, ohne dass wir die Möglichkeit hätten, einzugreifen.
Um Deine Frage nach unserem Verständnis und unserer Definition von Trauma aufzugreifen – ich denke, es ist hilfreich, zu verstehen, was in unserem Körper passiert, wenn wir Stress und (möglicherweise) traumatisierenden Situationen ausgesetzt sind. Natürlich sind die Worte und Bilder, die ich verwende, nur eine von vielen Möglichkeiten.
Um meine Mentorin – die Trainerin, Traumaberaterin und Somatikerin Mitja Lück-Nnakee – zu zitieren, gibt es ein bestimmtes Maß an Stress, das wir ertragen können, ohne Schaden zu nehmen. Dies ist das sogenannte Fenster der Stresstoleranz. Übersteigt der Stress, den wir erleben, unser Toleranzfenster, wechselt unser Gehirn von der Verarbeitung komplexer Informationen in den Alarmmodus: Die Verbindung zwischen dem Stammhirn und den übrigen Hirnarealen, in denen wir Informationen zum Beispiel in Zeit und Raum einordnen, wird unterbrochen. Wenn wir aus dem Stresstoleranzfenster geraten, werden wir buchstäblich zu Zeitreisenden: wir wissen nicht mehr, ob ein Erlebnis jetzt, vor zehn Jahren oder in der Zukunft passiert. Es gibt nur den Alarm im Körper. Der Fokus liegt nun auf dem Überleben: Adrenalin und andere Hormone werden ausgeschüttet, der Herzschlag wird beschleunigt, unsere Sicht wird eingeschränkt – wir machen uns bereit, wegzulaufen oder zu kämpfen. Dies wird als Hyperarousal, Übererregung oder sympathische Aktivierung bezeichnet. Wenn weder Kampf noch Flucht möglich sind, wird unser System heruntergefahren. Der Körper erstarrt, wir werden schlaff, wir ziehen uns zurück, unsere Sinne sind möglicherweise getrübt. Dies wird als Hypoarousal oder Untererregung (oder Zusammenbruch des dorsalen Vagusnervs) bezeichnet. Diese Möglichkeit ist zwar äußerst wichtig, um überwältigende Situa-tionen zu überstehen, indem die Körperfunktionen auf ein Minimum reduziert werden, geht aber mit einem Gefühl der Hilflosigkeit einher. Situationen, in denen Untererregung im Körper passiert, sind im Nachhinein schwierig ins eigene Erleben zu integrieren – eben weil wir die Situation wie aus der Zuschauer*innenposition erleben, obwohl wir mitten drin stecken. Das ist eine Schutzfunktion des Körpers, welche Distanz zum Erlebten schafft.
Eine weitere Stufe zwischen Hyper- und Hypoarousal ist das fawning, das ich zuerst von der Therapeutin, Aktivistin und Künstlerin Kai Cheng Thom kennengelernt habe. Unter fawning versteht man den Versuch, die Quelle einer (möglichen) Bedrohung zu reduzieren, indem man zum Beispiel versucht, eine Person zu beruhigen, die sich aggressiv verhält. Wenn wir uns also außerhalb unseres Zeitfensters der Stresstoleranz befinden, sind wir auch außerhalb unserer zeitlichen Orientierung – und wir werden möglicherweise zu anderen Erfahrungen zurückversetzt, die uns bereits in den Alarmmodus versetzt haben.
Wenn das Nachdenken über Trauma und Diskriminierung aufeinander bezogen wird, sind durchaus viele Überschneidungen und Zusammenhänge erkennbar, auch wenn die westliche medizinische Literatur Trauma hauptsächlich als einmaliges, außer-gewöhnliches Erlebnis betrachtet (z. B. Autounfall). Doch auch der fehlende Zugang zu Ressourcen und Rechten, wie es diskriminierte Gruppen erleben, wirkt traumatisierend, wie du das vorhin schon angesprochen hast.
So verstanden bedeutet Trauma weniger eine Ausnahme als vielmehr ein permanentes Hintergrundgeräusch: eine Möglichkeit, mit der diskriminierungserfahrene Menschen tagtäglich leben. Wir wissen nur nie genau, wie, wann und wo Stress und Gefahr auftreten werden. Dies fordert einen immensen Tribut vom physischen Körper, aber auch von den emotionalen, relationalen und spirituellen Aspekten des Seins. Erhöhter Stress wirkt sich nicht nur auf die Organe, das Hormonsystem und das Immunsystem aus, sondern prägt auch unsere Wahrnehmung, so dass wir weniger in der Lage sind, Beziehungen zueinander einzugehen und zu pflegen. Wenn wir darüber sprechen, wie wir – individuell und kollektiv – von Diskriminierung betroffen sind, werden wir möglicherweise nicht ernst genommen oder selbst als Aggressor*innen angesehen. Das schafft sehr schwierige und verwirrende Situationen.
Dem gegenüber steht die Anerkennung von Trauma als zentraler Bestandteil von Heilungsprozessen – damit meine ich, das Erlebte als Teil der eigenen Geschichte anzunehmen, von anderen Empathie zu erfahren, eine für sich tragbare Erzählung zu finden und sich als Akteur*in des eigenen Lebens zu verstehen.
Um auf Kai Cheng Thom zurückzukommen – diese spricht darüber, was Traumata auf einer kollektiven Ebene und in aktivistischen und intimen Beziehungen mit uns machen.
In ihrer Arbeit verknüpft sie Wissen um Trauma mit der Frage nach gesellschaftlichen Strukturen, aber auch queerfeministischen und anarchistischen Bewegungen. Sie sagt, dass etwa Mechanismen von Schuld, Strafe und Sühne Versuche sind, mit erlebter Traumatisierung umzugehen und weitere traumatische Erlebnisse möglichst zu verhindern. Außerhalb des Stresstoleranzfensters ist beispielsweise komplexes Denken und Empathie nicht möglich. In Konflikten erleben wir einander in solchen Zuständen als Täter*innen, als schuldig, wir denken in richtig/falsch- Kategorien. Strafe und Ausschluss erscheinen uns dann als nötige Maßnahmen.
Kai Cheng Thom erläutert, wie in solchen Kreisläufen Angst, Stress und Trauma nur verstärkt werden und echte Beziehungen – und damit Reparation und Heilung – verhindert werden. Eskalierende Konflikte, Abbruch von Beziehungen und emotional als extrem bedrohlich erlebte Situationen wiederholen sich wieder und wieder, bis es individuelle und kollektive Veränderung gibt. Sie plädiert mit ihrem Begriff des loving justice (in Anlehnung an transformative justice oder transformative Gerechtigkeit) allerdings nicht dafür, einander kritiklos hinzunehmen oder Konfliktpotential unter den Teppich zu kehren. Vielmehr geht es ihr um das Anerkennen von (emotionaler) Interdependenz, das ›Durchfühlen‹ aller Gefühle und das reparative Arbeiten in Beziehungen und Kollektiven, wenn wir durch unser Verhalten andere verletzt haben.
Vor diesem Hintergrund interessiert mich die Frage, wie wir Begegnungen gestalten – als Kolleg*innen, Kamerad*innen, Liebhaber*innen, Lehrer*innen, Studenten*innen... – die nicht auf die Reaktionen Kampf/Flucht/fawning hinauslaufen, sondern uns erlauben, zurückzukommen und eine Weile in unserem Fenster der Stresstoleranz zu bleiben. Dies könnte ein Zustand sein, in dem ich auf Ressourcen wie Humor,Vertrauen, Großzügigkeit, Kreativität, Wut, Klarheit... zugreifen kann, ein Zustand, in dem ich die Kontrolle habe, anstatt in eine Stressreaktion hineingezogen zu werden. Wenn ich über meine Unterrichtspraxis der letzten zehn Jahre nachdenke, bin ich ehrlich gesagt schockiert darüber, wie oft ich aus einer Traumatisierung heraus reagiert habe, was zum Beispiel bedeutete, dass ich im Klassenzimmer die Beherrschung verlor oder mir die Kinder als mächtige Feinde vorstellte – während in Wirklichkeit ich als Erwachsene*r und Lehrer*in die Macht hatte, das Setting nach meinen Vorstellungen zu gestalten und die Interaktion mit den Kindern maßgeblich bestimmte.
Interessanterweise geschah dies in vielen Workshops, die ich zu den Themen Stress, Trauma und Selbstfürsorge leitete. Oft hatten die Leute, seien es Pädagog*innen, Aktivist*innen oder Künstler*innen, das dringende Bedürfnis, über ihre eigenen Traumaerfahrungen zu sprechen, bevor sie bereit waren, sich anzuschauen, wo sie möglicherweise anderen Verletzungen zugefügt oder traumatisierende Situationen geschaffen haben.
Tanja: In gewisser Weise denke ich, dass Trauma ein einprägsames Wort ist, und es ist ein wirklich großes Wort, um ein Gespräch schnell abzubrechen oder bei den eigenen Reaktionen zu bleiben, anstatt mehrere Narrative aufrechtzuerhalten und anzuerkennen, dass wir in einer Vielzahl von Rollen verletzt werden und gleichzeitig verletzen können. Wie du es beschrieben hast, besteht auch die Gefahr, die eigene Verstrickung in Machtverhältnisse zu übersehen, indem man den Raum mit persönlichen Erfahrungen und Gefühlen besetzt. Diese Arbeit erfordert ein Verständnis der eigenen Privilegien und wie diese in emotionales und körperliches Verhalten eingebettet sind, das Gewalt hervorrufen kann.
Um diese Gedanken auszuführen, möchte ich an den Trauma-therapeuten Resmaa Menakem erinnern, der in seinen Gesprächen öfters hervorhebt:
»Oftmals kann ein Trauma in einer Person, das im Laufe der Zeit dekontextualisiert wird, wie eine Persönlichkeit aussehen. Ein Trauma in einer Familie, das im Laufe der Zeit dekontextualisiert wird, kann wie Eigenschaft der Familie aussehen. Ein Trauma, das im Laufe der Zeit in einer Gesellschaft dekontextualisiert wird, kann wie eine Kultur aussehen« (Menakem 2020).
Meiner Meinung nach beschreibt diese Aussage genau, wie die von dir beschriebenen Traumareaktionen als individuelle und kollektive gewohnheitsmäßige und unbewusste Mechanismen Gestalt annehmen. Traumareaktion ist ein Mechanismus, der uns dabei hilft, in einer bedrohlichen Situation zu überleben; dennoch, wenn das Trauma nicht benannt, kontextualisiert und verarbeitet wird, wird es zum Teil der Identität. Die damit verbundenen Gefühle, Emotionen und Verhaltensweisen werden naturalisiert, ›so bin ich‹ sozusagen. Mit der Zeit machen sie unsere kulturellen Praktiken, Normen, Werte und institutionelle Haltungen aus, die über Generationen weitergegeben werden. In Bezug auf den Rassismus in den USA vermittelt Resmaa Menakem ein Verständnis der White Supremacy Culture als historisches und kollektives Trauma. Er gibt dieser Kultur den Namen white-body supremacy (Menakem 2017), um zu betonen, dass diese eigentlich ein Trauma ist, das in den Körpern lebt und zur Dominanzkultur geworden ist. Dieses wirkt sich auf alle Körper im Land aus, aber die gesellschaftlichen Bedingungen privilegieren eben die Traumareaktionen der weißen, die sich z. B. durch das Wut-, Abwehr-, Scham- oder Dringlichkeitsgefühl zeigen und in unterschiedlichsten Verhaltensweisen ausdrücken, während sie die treibende Kraft sind, die die bestehenden Machtverhältnisse schützt und die Gewalt gegen Schwarze, Indigene und People of Colour verfestigt (vgl. Menakem 2017).
Wenn wir also über die verschiedenen Aspekte von Trauma und die Machtdynamik sprechen, die es auf kollektiver Ebene schafft und fördert, halte ich es für wichtig, verstehen zu lernen, wie bestimmte Reaktionen und die damit verbundene Gefühle, Emotionen und Verhaltensweisen in bestimmten sozialen Gruppen akzeptiert und in anderen unterdrückt werden. Wenn wir zum Beispiel Flucht- und Kampfreaktionen betrachten, können wir erkennen, dass beide mit dem Konstrukt der Männlichkeit verwoben sind, als dass von männlich gelesenen Personen erwartet wird und sie ermutigt werden, aus einem Kampfimpuls heraus zu agieren und zu reagieren, während eine Fluchtreaktion als Abweichung bewertet wird. Das Gegenteil können wir auch bei weiblichen Geschlechtsnormen beobachten. In Bezug auf appeasement (Beschwichtigungsreaktion), welches du als fawning beschreibst, betont die*der Somatiklehrer*in Staci K. Haines, dass bestehende Machtstrukturen besonders von den Effekten dieser Reaktion profitieren (vgl. Haines 2019: 108ff.). Häufig als Folge von Unterdrückung erlebt, kann sich Appeasement als Schwierigkeit zeigen, Nein zu einer Bitte oder Situation zu sagen, als Kampf mit geringem Selbstwertgefühl oder als Impuls, sich anzupassen und sich klein zu machen. Diese Reaktion steht in Zusammenhang mit konsequentem Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse, um anderen zu dienen und Konflikte oder Kritik zu vermeiden. Die eigene Stimme und die Fähigkeit, sich zu wehren und zu widerstehen, werden blockiert. Wenn die Kraft, sich für die eigenen Rechte und die Rechte anderer einzutreten, abgeschwächt wird, bleiben die Machtverhältnisse bestehen und Unterdrückte werden weiterhin als passive Objekte bestimmt und enthumanisiert. Daher denke ich, dass das Wissen über Trauma sehr hilfreich sein kann, sowohl im Empowerment-Prozess als auch wenn wir unsere Privilegien und die Art und Weise, wie unsere Körper in Machtbeziehungen verwickelt sind, verlernen.
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus halte ich es auch für wichtig zu erwähnen, dass einer der Gründe, warum wir unsere Stress-toleranz überstrapazieren und dadurch leicht Schaden und Ausgrenzung begünstigen, der ist, dass Geschwindigkeit und Zeitdruck unser Handeln leiten und keinen Raum lassen, um uns wieder mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden, zu schauen und zu spüren, was in uns vorgeht. Durch die Arbeit an der KontextSchule und die Vorbereitungszeit für das Festival Platz für Diversität!? habe ich gelernt, dass es entscheidend ist, den Projektumfang oder das Lernsetting sorgfältig an die in der Gruppe oder im Team vorhandenen Ressourcen und Bedürfnisse anzupassen. Mehr zeitliche und finanzielle Ressourcen einfordern und einkalkulieren zu können, um Überlastung zu reduzieren und mehr Raum für kollektive Selbstfürsorge und Resilienzpraktiken zu schaffen. Denn wenn die gesamte Energie allein für die Bewältigung einer riesigen Menge von Aufgaben verbraucht wird und das Projekt dicht getaktet ist, setzen wir uns nicht nur der Selbstausbeutung aus, sondern können auch leicht die individuellen Bedürfnisse, die unterschiedlichen Erwartungen und Lernmodi übersehen und rücksichtslos sein. Wenn die Bedingungen sehr einschränkend sind, fehlt es auch an Kapazitäten, Beziehungen auf der Basis von Vertrauen und Wertschätzung zu gestalten oder mit Reibungen und Konflikten konstruktiv umzugehen – beides meines Erachtens wesentliche Aspekte einer nachhaltigen diskriminierungskritischen Bildungsarbeit. Andernfalls bleiben wir in einer Kultur gefangen, die die Logik des Drucks und der Geschwindigkeit aufrechterhält, nämlich der White Supremacy Culture, oder wie Resmaa Menakeem es ausdrückt, des kollektiven Traumas.
Nello: Das ist ein sehr interessantes praktisches Beispiel, vielen Dank dafür! Ich erinnere mich, dass du zu Beginn des Festivals Platz für Diversität!? alle Teilnehmer*innen zu einer Art Achtsamkeitsübung eingeladen hast, während wir alle vor unseren Laptops saßen und uns gegenseitig auf dem Bildschirm anschauten. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, woraus die Übung bestand – Dehnen, Atmen, Bewegen? – aber ich erinnere mich, dass ich mich in meinem Körper geerdet fühlte, während ich mich gleichzeitig mit den anderen Menschen verbunden fühlte, mit denen ich diesen virtuellen Raum teilte. Es war ein erstaunliches Gefühl der Fülle, und gleichzeitig fühlte ich Traurigkeit – ich spürte meine Einsamkeit und meine Sehnsucht danach, mit Menschen im realen Raum zusammen zu sein, Stimmen direkt zu hören, nicht über ein Mikrofon und Lautsprecher, diese unvermittelte Präsenz anderer Körper ohne Laptops oder Tablets, die als Sender dienen. Davon abgesehen war und bin ich sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit haben, uns online zu treffen, obwohl wir physisch weit entfernt sind. Dieser Moment erlaubte es mir, mein Bedürfnis nach Verbindung anzuerkennen und mich damit abzufinden – ohne mit mir selbst hart zu sein und mir zu sagen, dass ich stärker sein sollte – und gleichzeitig über das Privileg nachzudenken, an dieser Veranstaltung teilnehmen zu können.
Was ich an dieser Übung, zu der du uns eingeladen hast, so sehr schätzte, war die Erinnerung daran, dass es andere Körper gibt, die genauso stark, verletzlich und komplex sind wie unsere eigenen, und dass wir miteinander interagieren können, indem wir uns das bewusst halten. Ich konnte die Präsentationen und Workshops in einem emotionalen Zustand betreten, der sowohl aufregend als auch vertrauensvoll war: Vertrauen darauf, dass, auch wenn die Themen schwer und komplex sind und unangenehme Gefühle aufkommen und Verletzungen zugefügt werden können, es in Ordnung ist, dass kein Untergang bevorsteht. In dieser Praxis wurde ich daran erinnert, dass ich es wert bin, für mich selbst zu sorgen, »Nein« zu verletzenden Dynamiken zu sagen, aber auch, dass ich in der Lage bin, mich mit anderen zu verbinden, dass ich es wert bin, gesehen zu werden.
Dieses Vertrauen und das Gefühl der Fülle ist das Gegenteil von dem, was du als das Gefühl der Enge und des Drucks beschreibst, das wir zwangsläufig erleben, wenn wir über einen längeren Zeitraum unter Stress stehen. Es kann sein, dass wir Gefühle so intensiv erleben, als ob wir um unser Leben rennen, obwohl die konkreten Belastungsfaktoren eigentlich nicht lebensbedrohlich sind: das Handy klingelt, 300 ungelesene E-Mails, eine lange To-Do-Liste... und wenn wir uns noch einmal anschauen, was Stress mit dem Körper macht, erscheint es wie eine Spirale von Ursache und Wirkung: Stress verhindert, dass wir den Parasympathikus aktivieren, der für die Entspannung und den ›Abbau‹ bestimmter Stresshormone zuständig ist. So können wir nicht gut schlafen, unsere Muskeln spannen sich an, unser Gehirn ist ständig am Rande von Kampf/Flucht/Fawning/Erstarren. Je mehr Stress wir erleben, desto mehr stellt sich unser Körper auf Stressreaktionen ein.
Die Verbindung, die du zu unserem Umgang miteinander herstellst, wenn wir unter Stress zusammenarbeiten, ist sehr interessant. Um noch einmal Kai Cheng Thom zu zitieren: Sie spricht über unser Zugehörigkeitsgefühl – das tiefe Vertrauen, dass wir akzeptiert und geliebt werden –, das bedroht ist, wenn wir Stress erleben und aus Stressreaktionen heraus handeln. Wenn ich also Angst habe, dass meine Kamerad*innen mich nicht mehr mögen und mich möglicherweise aus der Gruppe ausschließen, wenn ich die mir zugewiesene Arbeitsmenge nicht schaffe, oder wenn ich Angst habe, gemieden zu werden, weil ich etwas Unbedachtes und Verletzendes sage, verlasse ich vielleicht mein Toleranzfenster und reagiere auf Stress. Ich könnte starr werden und streng urteilen, weil ich Angst habe, streng beurteilt zu werden und mich an starren Normen orientieren zu müssen. Wenn wir also gestresst sind, dass wir aus einer Gruppe oder Beziehung ausgeschlossen werden könnten, könnten wir uns ironischerweise für ein Verhalten entscheiden, das nicht nur die Beziehung belastet, sondern auch uns selbst schadet, weil wir unser Verhalten an die Gruppennormen anpassen, um bloß in der Gruppe zu bleiben, selbst wenn die Normen rassistisch, sexistisch, transfeindlich oder ableistisch sind.
Das Interessante an diesem Moment der Bedrohung, ausgeschlossen zu werden, ist, dass es jede*n treffen kann, unabhängig davon, welche Form von Privilegien wir erfahren. Aber, wie du schon sagtest, die Reaktionen des Umfelds sind sehr unterschiedlich. Wenn eine weiße Person in einer Projektgruppe in eine Stressreaktion verfällt und anfängt, andere anzuschreien, sind die Reaktionen eher darauf ausgerichtet, sie zu beruhigen, Empathie und Verständnis zu vermitteln und nicht, Grenzen zu setzen. Wenn eine Schwarze Person auf viel ruhigere Weise ihren Unmut äußert, wird sie vielleicht schon als wütend verdächtigt, und wenn sie in die Stressreaktion geht, hat sie vielleicht bereits gelernt, dass Schreien keine Option ist, weil es die Situation verschlimmert: Wahrscheinlich wird sie keine Empathie erhalten, sondern die Kamerad*innen werden eher defensiv reagieren. Es ist dann nicht die Gruppendynamik oder die konkrete Situation, die in Frage gestellt wird, sondern das Verhalten der Person, die den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entspricht – was du auch schon im Zusammenhang mit der White Supremacy Culture beschrieben hast.
Ein weiterer Aspekt, den ich etwas genauer betrachtet habe, sind die Normen, die mit dem (weißen, europäischen) Christentum einhergehen. In vielen queer-feministischen, linken, ja sogar anarchistischen Gruppen, die ich kennenlernen durfte, ist Scham ein großes Thema: Scham darüber, nicht ›radikal genug< zu sein, Scham darüber, Kompromisse zwischen Idealen und Alltag eingehen zu müssen, Scham über das eigene Verhalten, das Unterdrückung und Verletzung mit sich bringt. Die Angst, beurteilt und ausgegrenzt zu werden, ist sehr groß, was wiederum dazu führt, dass die Menschen auf der Hut sind. Leider führt das nicht einmal zu weniger Verletzungen, z. B. weniger Transfeindlichkeit, sondern es schafft eine angespannte Atmosphäre des ›Richtig‹ oder ›Falsch‹, in der man entweder den Erwartungen der Gruppe entspricht oder nicht, aber es verhindert eher, dass wir tatsächlich (ver-)lernen.
Scham und entweder als richtig beurteilt und freigesprochen zu werden, oder als falsch beurteilt und bestraft zu werden, sind sehr zentrale Themen im Christentum (ich spreche hier vor allem aus meiner eigenen Erfahrung, da ich in einem katholischen Umfeld in Österreich aufgewachsen bin). Die Aktivistin und Pädagogin Debora Antmann spricht über das »Jesus-Problem« im Aktivismus speziell in Deutschland, wenn Arroganz (wir wissen alles, es gibt nichts mehr zu lernen) auf Starrheit (es gibt nur einen richtigen Weg) und Leidenslust (wir sind alle schlecht, wir müssen bestraft werden) trifft (Antmann 2021). All dies sind emotionale Zustände und soziale Praktiken, die es erschweren, sich auf einladende und fließende Weise miteinander zu verbinden. Das »Jesus-Problem« führt, so Antmann, auch dazu, dass es schwieriger wird, das eigene Handeln kritisch zu betrachten und Verantwortung zu übernehmen. Wenn mein Selbstbild darin besteht, ein ›guter Mensch‹ zu sein, dann ist dieses Selbstbild bedroht, wenn ich eingestehen muss, dass ich jemanden verletzt habe oder durch mein Handeln Unterdrückung aufrechterhalten habe. Da es in christlich geprägten Räumen nur ›richtig‹ und ›falsch‹, ›gut‹ und ›böse‹ gibt, bringt das Eingestehen eines kritikwürdigen Verhaltens also auch die Gefahr mit sich, als ›falsch‹ verurteilt und ausgeschlossen zu werden, damit die anderen Mitglieder der Gruppe wiederum ihr Selbstbild als ›gute‹ Menschen aufrechterhalten können.
Während ich also einerseits versuche, diese Kultur der gegen-seitigen Beschämung und Beurteilung zu hinterfragen, frage ich mich andererseits, ob Scham auch notwendig ist, um uns davon abzuhalten, Schaden anzurichten. Karine Bell, Somatikerin und Traumapädagogin, spricht über Scham als die entscheidende Bedrohung für unser Gefühl der Integrität. Was uns schmerzt, ist die Erkenntnis, dass wir nicht in Übereinstimmung mit unseren Werten leben. Das bedeutet, dass Scham uns motivieren kann, unser Verhalten zu ändern, aber dafür brauchen wir ein gewisses Maß an Selbstreflexivität und Ehrlichkeit. Scham kann uns zwar buchstäblich an unserem Platz festhalten (und uns davon abhalten, z. B. sexistische Dinge zu sagen), aber es ist auch notwendig, von dieser Scham befreit zu werden, indem man uns einlädt, wieder in die Verbindung mit den anderen einzutreten, um uns zu sagen, dass wir würdig und willkommen sind. Die Beispiele, die sie in das Gespräch einbringt, sind oft langjährige und verbindliche Beziehungen wie zwischen Kindern und Eltern oder Liebespartner*innen.
Dann frage ich mich, wie wir auch in weniger nahen und dauerhaften Beziehungen wie zwischen Lehrkräften und Schüler*innen, in aktivistischen Gruppen oder Kollektiven dazu kommen, Großzügigkeit und Fluidität zu leben und einander und uns selbst zur Verantwortung zu rufen, ohne uns nach starren Schemata zu beurteilen. Das hat für mich auch mit der Transformation von Hegemonialität zu tun, mit dem Infragestellen von Deutungsmacht. Wenn wir für eine bestimmte Dauer geteilter Zeit aushandeln, wie wir miteinander sein wollen, nehmen wir soziale Normen nicht mehr einfach so hin. Wir gehen davon aus, was wir selbst brauchen und uns wünschen, anstatt auf einer moralischen Ebene zu argumentieren. Darin liegt auch die Chance, Stress zu reduzieren, indem wir beispielsweise weniger beschämen, während wir gleichzeitig für uns selbst sorgen und unseren Raum und unsere Grenzen gestalten.
Tanja: Deine Frage ist ziemlich zentral für die Diskussion um traumasensibles Lehren und Lernen, wenn wir versuchen zu benennen, was diesen Ansatz ausmachen könnte. Über einige wichtige Faktoren haben wir bereits gesprochen. Um sie weiterzuführen, möchte ich die Worte der*des Schriftstellers*in, Aktivist*in und Zen-Priester*in Rev. angel Kyodo Williams zitieren: »Ohne innere Veränderung kann es keine äußere Veränderung geben; ohne kollektive Veränderung ist keine Veränderung von Bedeutung.« Mir scheint, dass diese Aussage ein grundlegendes, fundamentales Verständnis dafür unterstreicht, dass der Körper unser zentraler Ort des (Ver-)Lernens ist. Und es ist Teil der Arbeit, die wir als Pädagog*innen, Aktivist*innen oder Kulturarbeiter*innen leisten, Bedingungen, Praktiken und Haltungen anzusprechen, die uns dazu bringen, dass wir uns gegenseitig in Stress- und Trauma-reaktionen versetzen, einander Verletzungen zufügen und eventuell traumatisierende Situationen schaffen. Trauma ist etwas, was uns trennt, unsere Gefühle der Sicherheit und des Vertrauens bricht, unsere Solidarität und Empathie abschwächt. Deswegen ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir in unserer Arbeit körperzentrierte Narrative, Praktiken, Strategien und Fähigkeiten entwickeln, die Heilung ermöglichen. Heilung ist ebenso wie Trauma keine Privatangelegenheit, es sind zwei Seiten derselben Medaille. Ich sehe darin einen entscheidenden Aspekt der kollektiven Transformation: die gemeinsame Aufarbeitung traumatischer Erfahrungen und den Lernprozess daraus. Wie du gesagt hast, die Herausforderung ist, uns mit unseren Traumata anzufreunden. Ich denke, gerade in diesem Prozess können wir mehr Raum entdecken und unsere Fähigkeiten zu Großzügigkeit, Fluidität sowie Handlungsfähigkeit und Verantwortlichkeit erweitern. Es gibt ein gewisses Maß an gemeinsamer Heilungsarbeit, die geleistet werden sollte, um dies zu verkörpern. Und ich glaube, wir brauchen nicht das Gefühl zu haben, dass wir Therapeut*innen sein müssen, um Heilung zu ermöglichen. Die Frage ist vielmehr, welchem Wissen wir einen Platz geben können, damit sich dieser Prozess auf seine eigene Weise entfalten kann.
Um dies zu konkretisieren, möchte ich die Bedeutung von somatic literacy [somatische Alphabetisierung] erkunden, die nützlich sein kann, um einige Aspekte des traumasensiblen Ansatzes zu verstehen. Somatic Literacy ist wesentliche Methodik der Somatik, ein Begriff, den ich von der*dem Wissenschaftler*in und Aktivist*in Rae Johnson kennen gelernt habe. Diese*r beschreibt ein Forschungsfeld, das sich mit der Komplexität unserer Körper befasst und eine Reihe von Werkzeugen und Praktiken für das Eintauchen in die sensorische Erfahrung des Selbst, anderer Menschen und der Umwelt umfasst. Die Auswirkungen von Unterdrückungssystemen sind eindringlich, weil sie sich unmittelbar in unseren Körpern und Beziehungen zeigen und dennoch schwer zu erkennen sind. Indem wir unsere Aufmerksamkeit auf Körperbereiche, den Atem, die Vokalisierung, die Interaktion, den Kontakt, die Bewegung oder die Stille lenken, zielt die somatische Alphabetisierung darauf ab, das auf der gefühlsmäßigen Ebene des Körpers begründete Wissen zu untersuchen, zu benennen und zu kontextualisieren (vgl. Johnson 2018: 94). Wir entwickeln die Fähigkeit, den Körper zu spüren und die verfügbare Information zu lesen. Die iterativen Praktiken des Verlangsamens und Vergegenwärtigens unterstützen diesen Prozess. Wir wollen unsere Körpersprache und Emotionen hinterfragen und dennoch präsent bleiben, ohne die Tendenz, sie zu steuern oder zu fixieren. Wie fühlt sich diese oder jene Bewegung und Geste an? Wie vermitteln sie mir meine Grenzen? Welche Geschichte verbinde ich normalerweise mit dieser Körperhaltung? Wo ist diese oder jene Emotion im Körper? Mit welchen Empfindungen ist sie verbunden? Wie ist die Größe, Temperatur oder Farbe? Möchte ich mich von ihr entfernen und warum? Wie offenbart sie Macht, Privilegien oder besondere Erfahrungen von Unterdrückung? Was ich aus dieser Form der somatischen Selbstbefragung und Körperforschung gelernt habe, ist, dass sie sich beängstigend anfühlen kann, weil man sich in einen Raum der Verletzlichkeit begibt. Es kann beängstigend sein, sich damit zu konfrontieren was ist – dem zu begegnen, was schmerzhaft ist, oder was Unbehagen auslöst. Aber ich habe auch gelernt, dass die Praktiken der Körperzentrierung und der Präsenz auch eine innere Weite und Erdung schaffen, die helfen, beunruhigende Erfahrungen zu ertragen und die Ungewissheit, die mit dem Unbehagen aufkommt, anzunehmen. Und wenn Raum vorhanden ist, wachsen mehr Optionen und Wahlmöglichkeiten in der Art und Weise, wie wir wahrnehmen, fühlen, uns verhalten oder reagieren. Es kann mehr Raum entstehen, um die Komplexität und die Freundlichkeit gegenüber den eigenen Fehlern und denen der anderen auszuhalten. Während der somatischen Arbeit entsteht auch ein Gefühl der Demut, das mit mehr Akzeptanz für das, was wir nicht wissen, verbunden ist und somit der Kultur der Dringlichkeit und des Tempos entgegenwirkt, die dazu auffordert, schnell zu reagieren und am ›business as usual‹ festzuhalten. Und ich denke, dass die Integration der Prinzipien und Methoden der Somatik in die diskriminierungskritische Bildungsarbeit ein großes Potenzial birgt – im Lernraum, in der Teamarbeit, in der Art und Weise, wie wir unsere Projekte planen und strukturieren oder wie wir unsere Beziehungen gestalten, indem wir unsere Aufmerksamkeit auf eine stärker verkörperte Selbstreflexion und Sinngebung lenken.
Nello: Zum Abschluss dieses reichhaltigen Gesprächs möchte ich eine Übung zum Stressabbau vorstellen, die Mitja Lück-Nnakee mit mir geteilt hat.
Im Liegen oder Stehen faltest du die Finger jeder Hand ineinander, die Handflächen zeigen zum Bauch. Dann legst du die Hände, die immer noch verschränkt sind, hinter den Kopf, so als ob du mit den Händen den Hinterkopf umschließen würden. Der Kopf wird gerade gehalten, der Blick geht direkt nach vorne. Bewege den Blick mit geschlossenen oder geöffneten Augen zunächst langsam nach rechts – der Kopf ist gerade – und warte auf ein Seufzen, ein Gähnen, ein Gefühl der Entspannung im Nacken oder Rücken. Bewege dann die Augen langsam nach links und warte wieder auf die Entspannung, die sich einstellt. Du kannst das jeden Morgen und Abend wiederholen. Die Bewegung der Augen in dieser Position ist mit der Entspannung der Muskeln und Nerven im Nacken verbunden. Diese Verspannungen treten auf, wenn wir in eine Stressreaktion, nämlich die Fluchtreaktion, verfallen, und können völlig unbewusst sein. Um diese Verspannungen zu lösen, sollten wir sie umwandeln und uns auf die Vorderseite des Körpers konzentrieren, was uns ermutigt, uns zu entspannen und uns mit anderen zu verbinden.
Von 2020–2021 verantwortete Tanja Sokolnykova als Co-Projektleitung gemeinsam mit Danja Erni die KontextSchule und organisierte das Festival Platz für Diversität!? – Diskriminierungs-kritische Allianzen zwischen Kunst und Bildung gemeinsam mit dem weiteren KontextSchule-Team: Camilla Goecke, Wen-Ling Chung, Veronika Albrandt sowie weiteren Kooperationspartner*innen. Vgl. dazu die Websites der KontextSchule und des Festivals (siehe Literatur).
Nello Fragner nahm von 2016–2018 an der KontextSchule teil und war von 2018–2020
in deren Beirat.
Holodomor ist ein ukrainisches Wort, das ›Tötung durch Hunger‹ bedeutet. Holodomor
bezeichnet den Genozid an der ukrainischen Bevölkerung zwischen 1932–33, der von dem sowjetischen Regime mittels künstlich organisierter Massenhungersnot verübt wurde. Mehr hierzu auf der Plattform Ukraïner (siehe Literatur).
Siehe dazu den Podcast irresistible, eine profunde Sammlung von Gesprächen und Interviews mit den Aktivist*innen, Heiler*innen, somatischen Forscher*innen und Lehrer*innen, die diese Bewegung prägen. Eine weitere Quelle ist der Embodied Social Justice Summit, der viele Expert*innen aus verschiedenen Bereichen und von unterschiedlichen sozialen Positionierungen zusammenbringt (siehe Literatur).
Dieses Wissen vermittelt sie in Einzelcoachings sowie im Seminar Vorfälle von Diskriminierung im Seminar – wie kann ich als Anleiter*in intervenieren und begleiten, das sie gemeinsam mit Toan Quoc Ngyen leitet.
Vgl. dazu auch Harder in diesem Band, Seite 308.
Ich beziehe mich hier auf einen Workshop, den Kai Cheng Thom während einer Online-Veranstaltung von The Embody Lab im Dezember 2021 gegeben hat (keine Aufzeichnungen verfügbar).
Zum Begriff White Supremacy Culture siehe Okun / Jones (siehe Literatur).
Vgl. hierzu auch den Begriff crip time, siehe Harder in diesem Band, Seite 178, Fußnote 7.
Siehe hierzu die Website Platz für Diversität!? – Diskriminierungskritische Allianzen zwischen Kunst und Bildung (siehe Literatur).
Ein ständiges Gefühl der Dringlichkeit, Zeit- und Handlungsdruck ist eine von den Eigenschaften der Kultur weißer Vorherrschaft, die Tema Okun und Kenneth Jones in ihrem Text White Supremacy Culture gemeinsam mit anderen Eigenschaften analysieren (siehe Literatur).
Vgl. dazu auch den Beitrag Embodied Magic – ein*e Superheld*in von Simon Noa Harder in diesem Band, Seite 183, Fußnote 12.
Karine Bell, Workshop über Scham während des Embodied Social Justice Summit 2021
(keine Aufzeichnungen verfügbar).
Das Zitat ist auf der Website von Rev. angel Kyodo Williams als Erklärung von Williams’ Praxis und Engagement veröffentlicht (siehe Literatur).
Ein zentrales Konzept im Buch Embodied Social Justice von Rae Johnson. Unter Bezugnahme auf verschiedene somatische Theorien definiert Johnson somatic literacy als eine körperzentrierte Bildung mit der Kernidee, »verkörperte Erfahrung zu transformieren und [...] die Entwicklung eines gewissen Grades an verkörpertem Bewusstsein zu unterstützen« (Johnson 2018: 5) und plädiert für die Integration von somatic literacy, anti-oppressiver Pädagogik und Intersektionalität.
Antmann, Debora (2021): Das Jesus-Problem. taz-Talk vom 08. 04. 2021.
URL: https://www.youtube.com/watch?v=0H9Sea8oqrg [01.02.2022].
Bildungswerkstatt Migration & Gesellschaft: Vorfälle von Diskriminierung im
Seminar – wie kann ich als Anleiter*in intervenieren und begleiten?
URL: http://www.bildungswerkstatt-migration.de/diskriminierung-im-seminar_2019.html [08.02.2022].
Haines, Staci K. (2019): The politics of trauma. Somatics, Heilung und soziale
Gerechtigkeit. Berkeley.
Hemphill, Prentis (2021): On choosing Belonging. Ein Interview vom 28.07.2021.
URL: https://forthewild.world/podcast-transcripts/prentis-hemphill-on-choosing-belonging-244 [15.01.2022].
Johnson, Rae (2018): Embodied social justice. New York.
KontextSchule. URL: www.kontextschule.org. [16.11.2022].
Menakem, Resmaa (2017): My grandmother’s hands. Rassistisches Trauma und
der Weg zur Heilung unserer Herzen und Körper. Las Vegas.
Menakem, Resmaa (2020): Episode 200 des Podcast Talk Easy with Sam Fragoso. URL: https://talkeasypod.com/resmaa-menakem/ [08.02.2022].
O.A.(2020): EU-Spitze dankt Griechenland: »Europäisches Schild«. In: Süddeutsche Zeitung vom 03.03.2020. URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-eu-spitze-dankt-griechenland-europaeischer-schild-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200303-99-163084 [05.02.2022].
Okun,Tema (2022): White Supremacy Culture. URL: https://www.whitesupremacyculture.info [06.02.2022].
Unwiderstehlicher Podcast. URL: https://irresistible.org/podcast [20.01.2022].
Ukraïner. URL: https://ukrainer.net/thread-en/holodomor-en/ [08.02.2022].
Van Dernoot Lipsky, Laura/Burke, Connie (2009): Trauma Stewardship.
Ein alltäglicher Leitfaden zur Selbstfürsorge bei gleichzeitiger Fürsorge für andere. San Francisco.
Website Platz für Diversität?! Festival für diskriminierungskritische Allianzen zwischen Kunst und Bildung (Glossar). URL: http://platzfuerdiversitaet.org [08.02.2022].
Williams, Rev. angel Kyodo. URL: https://angelkyodowilliams.com [7.02.2022].