Vivian Chan
Dieser Text basiert auf dem Zwischenraum »Care«, den das Kollektiv Kunst im Zwischenraum (Vivian Chan, An*dre Neely, Rowan de Freitas) im Rahmen des hybriden Festivals Platz für Diversität!? im Mai 2021 angeboten hat. Das Format ›Zwischenraum‹ diente im Verlauf des – pandemiebedingt hauptsächlich online veranstalteten – Festivals zur Vertiefung, zum Austausch, zum Innehalten. Besucher*innen wurde hier die Möglichkeit geboten, beim Spielen, Meditieren, Zuhören oder Zeichnen zu sich zu kommen. Das Kollektiv selbst beschreibt den Zwischenraum als »[e]in[en] virtuelle[n] Spielplatz für Körper aller Altersgruppen. Wir wollen eine Pause von akademischen, wortgesteuerten Lernpraktiken bieten und uns durch Care und Spiel mit unseren Körpern verbinden.«
Im folgenden Text teilt Vivian Chan eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie ihr fürsorglich und sicher(er) Zwischenräume für Euch selbst und Eure Mitmenschen digital schaffen könnt. Sie lädt Euch dazu ein, Euch von Beispielen des Kollektiv Kunst im Zwischenraum inspirieren zu lassen und sie an Euren eigenen Raum anzupassen.
#Care #Spiel #Körper #Raumgestaltung #Intersektionalität #Empathie
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(Play)ground for Care [(Spiel)platz für Fürsorge] ist ein laufendes Projekt des Kollektivs Kunst im Zwischenraum (KKiZ), einem autonomen Kunstkollektiv und einer Lernplattform, die derzeit von Vivian Chan und Rowan de Freitas organisiert wird. Im Zentrum unserer kollektiven Struktur steht das Bedürfnis, Raum für intersektionale, empathische und spielerische Ansätze für Bildung, Organisation und (künstlerische) Arbeit zu schaffen.
Als Kollektiv KiZ wollen wir sowohl das Spielerische als auch die Achtsamkeit als Strategien in den Mittelpunkt stellen, um gegen ableistische und exklusive Arbeits- und Lernpraktiken anzukämpfen, die sowohl in der Kunstwelt als auch in den gängigen Bildungseinrichtungen vorherrschen.
Indem wir das Spielerische als Werkzeug nutzen, um Spontaneität und prozessbasiertes Lernen zu fördern, wollen wir die Produktion dezentralisieren und Konzepte der Produktivität in unseren Aktivitäten und Methoden in Frage stellen. Fürsorge ins Zentrum unserer Auseinandersetzung zu setzen bedeutet für uns, dass wir unsere Ressourcen bündeln und unsere Praxis anpassen, um Zugänglichkeit für alle Mitwirkenden zu thematisieren und emotionales, geistiges und körperliches Wohlbefinden zu ermöglichen.
Ein (Spiel-)Platz für Fürsorge ist ein kollektiver Raum; er ist ein Ort der Erforschung, des Selbstausdrucks und der Wiederherstellung.
Spielplätze sind transformative Räume, die mehrere Räume gleichzeitig einschließen können. Sie führen uns in andere Welten, in denen die vorherrschenden sozialen Kontexte und Normen in Frage gestellt werden. Sie unterbrechen den Rhythmus der gewöhnlichen, alltäglichen Orte und Zeiten und machen die Zwischenwelten greifbar. Wie können wir uns spielerisch, experimentell und achtsam mit der Fürsorge – für uns selbst und für andere – auseinandersetzen?
Durch das Spiel können wir uns neu vorstellen, wie wir miteinander und mit uns selbst umgehen und dabei Spaß haben können, denn Spaß kann auch eine Form der Fürsorge sein. Die Frage, ob eine Person Spaß hat oder nicht, kann zu einer Streitfrage über Zugänglichkeit und Wohlbefinden werden. Wer darf Spaß haben? Wann? Und wo? Und wie? Und warum?
Durch den Einsatz von Spaß als Methode hoffen wir, dass ein (Spiel-)Platz für Fürsorge es den Menschen ermöglicht, die Möglichkeiten (und Grenzen) zu erkunden, wie wir für uns selbst und füreinander sorgen können, während wir gemeinsam fürsorglichere und sicherere Räume schaffen.
1. Einführung
Loggt Euch auf einer Videoplattform Eurer Wahl ein und stellt Euch kurz vor.
Wer seid Ihr?
Wie sieht der Zeitplan für den Tag (oder für Euren Zwischenraum) aus?
Was wird passieren? Was werdet Ihr gemeinsam tun?
Wer ist die Kontaktperson für den technischen Support? (falls notwendig und/oder verfügbar)
Denkt auch an Teilnehmende, die zu spät kommen, und schreibt diese Informationen in den Chat, damit sie sich informieren können, wenn sie ankommen.
(Unser Beispiel:)
Hallo, wir sind Kollektiv Kunst im Zwischenraum, willkommen zu unserem (Spiel)Platz für Fürsorge. Wir veranstalten diesen Raum heute, damit Ihr zwischen den Workshops, an denen Ihr teilnehmt, eine Pause einlegen könnt, um euch mit eurem Körper und dem Raum auf eine Weise zu verbinden, die sich für Euch angenehm und lustvoll anfühlt.
Wir sind der Meinung, dass Musik uns helfen kann, uns mit uns selbst und miteinander zu verbinden. Musik ist eine großartige Möglichkeit, sich zu entspannen, sich abzulenken, Spaß zu haben und Achtsamkeit zu üben. Wir beginnen also mit einem kurzen Körpercheck und machen dann gemeinsam Musik.
Während die Musik spielt, laden wir Euch ein, Euch zu bewegen, zu tanzen, mitzusingen oder zu summen, mit den Gegenständen um Euch herum zu spielen – was immer sich in diesem Moment gut anfühlt, was immer die Musik bei Euch evoziert.
Ihr könnt eure Kameras während dieser Zeit gerne ausschalten, damit Ihr Euch in diesem Raum sicher fühlt und tun könnt, was Ihr wollt. Ihr könnt Eure Kamera aber auch anlassen, wenn Ihr möchtet. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Es macht einfach nur Spaß!
2. Einchecken
Ladet die Teilnehmenden ein, mit sich selbst einzuchecken und zu erforschen, wie sich ihr Körper anfühlt. Wenn ihr das Check-in mit dem Körper anleitet, denkt daran, es für verschiedene Körper anzupassen.
(Unser Beispiel:)
Lasst uns einen Moment nehmen, um unserem Körper zu erlauben, den Raum zu wechseln, von der Arbeit zum Spiel.
(Pause)
Du kannst die Kamera für diesen Teil ausschalten, um einen Moment für Dich zu haben.
Es kann helfen, den Blick unscharf werden zu lassen oder sogar die Augen zu schließen.
(Pause)
Richte Deine Aufmerksamkeit auf Deinen Körper, auf seine Haltung.
Wo hat sich Dein Körper heute bis jetzt aufgehalten?
Vielleicht muss er sich bewegen oder einen neuen Platz finden, einen Neuanfang machen.
(Pause)
Nimm dir Zeit, Deine Sitz-, Steh- oder Liegeposition so zu verändern, dass sie für Dich bequem ist.
Finde eine Stelle an Deinem Körper, die sich sicher anfühlt. Lege Deine Hände auf diese Stelle. Bleibe einen Moment lang hier.
(Pause)
Richte Deine Aufmerksamkeit auf Deinen Atem. Wir werden jetzt gemeinsam drei tiefe Atemzüge machen.
Stell Dir vor, Dein Körper sei ein Ballon, der sich mit Luft ausdehnt und zusammenzieht.
Wir atmen ein und dehnen uns gemeinsam aus, 1, 2, 3.
Wir atmen aus und ziehen uns dabei zusammen, 1, 2, 3.
(Pause)
Wenn wir einatmen, bringen wir neue Energie in unseren Körper.
Wenn wir ausatmen, lässt die neue Luft all die Spannung los, die in unserem Körper gespeichert ist.
Für den Moment lassen wir auch unsere To-Do-Listen und Aufgaben, unsere Gedanken und Meinungen los.
(Pause)
Einatmen, 1, 2, 3.
Ausatmen, 1, 2, 3.
Einatmen, 1, 2, 3.
Ausatmen, 1, 2, 3.
Halte einen Moment inne. Wo braucht Dein Körper etwas Liebe?
Finde eine Stelle an deinem Körper, die Du vernachlässigt hast, und gib ihr etwas Liebe.
Vielleicht nur eine leichte Berührung. Oder eine kleine Massage.
(Pause)
Wo warst du angespannt oder zu sehr konzentriert?
Vielleicht in der Stirn oder im Nacken, oder vielleicht ist es irgendwo anders.
Vielleicht sind Deine Beine oder Dein Rücken angespannt?
Nimm Dir einen Moment Zeit, um diesem Teil des Körpers zu geben, was er braucht.
Nun lasst uns darüber nachdenken, wo und wie unsere Körper spielen könnten. Vielleicht können wir ein wenig mehr Bewegung hineinbringen.
(Pause)
Finde die Spontaneität in Deinem Körper.
Lass Bewegung zu, wo sich der Körper bewegen will, lass Ruhe zu, wo sich der Körper ausruhen will (Pause)
Du kannst Deinen Körper auch dehnen oder schütteln, wenn es sich angenehm anfühlt.
Das kann bedeuten, dass Du Deine Arme nach oben streckst, es kann bedeuten, dass Du Dir vorstellst, dass eine Schnur deine Wirbelsäule entlangläuft und Dich vom Boden bis zur Decke dehnt.
(Pause)
Dehnen und schütteln wir uns gemeinsam dreimal.
(Pause)
Dehnen, 1, 2, 3.
Und schütteln, 1, 2, 3.
Dehnen, 1, 2, 3.
Und schütteln,. 1, 2, 3
Dehnen, 1, 2, 3.
Und schütteln, 1, 2, 3.
(Pause)
Bring die Arme wieder nach unten, und wenn Deine Augen geschlossen waren, kannst du sie jetzt langsam öffnen.
3. Tanzen/Bewegen/Zuhören/Sitzen/Schütteln, als ob niemand zuschaut
Ermöglicht den Teilnehmenden, langsam zurückzukommen und erklärt, was als Nächstes passieren wird. Ladet Teilnahme und Nichtteilnahme gleichermaßen ein. Beschreibt, wie Tanzen, Bewegen, Zuhören, Sitzen oder Schütteln, als ob niemand zuschaut, aussehen könnte, und bietet an, Fragen zu stellen. Teilt allen mit, wann sie wiederkommen sollen und schreibt die Zeit in den Chat. Stellt youtube-Links zu den Liedern in den Chat und ladet andere ein, dies ebenfalls zu tun.
(Unser Beispiel:)
Nun kommen wir zum nächsten Teil. Hier haben wir die Möglichkeit, spielerisch mit unseren Körpern zur Musik zu interagieren. Das kann bedeuten, was immer wir wollen, ob wir still sind, tanzen oder uns bewegen.
Wir haben ein paar Lieder ausgesucht, die uns gefallen und die wir mit Euch allen teilen wollen. Ihr findet die YouTube-Links im Chat, aber wir laden Euch auch ein, Euer eigenes Lied in den Chat zu stellen.
Kopiert einfach den Link zu Eurem Lied und schickt ihn an alle im Chat. Ihr könnt ein beliebiges Lied auswählen und jede*r kann sich ein anderes Lied anhören.
Wir werden alle Mikrofone ausschalten, damit wir uns alle die Lieder anhören können, die wir wollen, ohne die anderen zu stören.
Ihr könnt eure Kamera ausschalten, wenn Ihr wollt.
Bitte kommt um [Uhrzeit angeben] zurück, damit wir uns noch einmal kurz sehen können, um uns zu verabschieden und vor dem nächsten Workshop auszuchecken.
Hat jemand noch Fragen?
(Unser Beispielposting im Chat:)
Hier sind einige Lieder, die wir heute für Euch zusammengestellt haben.
Klickt Euch durch die Links und lasst Euren Körper und Euren Blick sich bewegen und den Raum um Euch herum erkunden. Spielt, wie ihr wollt und/oder mit dem, was Ihr um euch herum findet. Wenn ein Lied zu Ende ist, kommt zurück und klickt ein anderes an. Wenn es ein Lied gibt, das Ihr wirklich hören und mit anderen teilen möchtet, versucht es auf youtube zu finden und hier zu posten. Es steht Euch frei, die Kamera an- oder auszuschalten, was immer sich für Euch am angenehmsten anfühlt. Denkt bitte daran, Eure Mikrofone auszuschalten, damit wir uns nicht gegenseitig stören.
Etwas…
Ein paar Songs, die von anderen gepostet wurden:
https://www.youtube.com/watch?v=92a1tjexGY0
https://www.youtube.com/watch?v=T76GB4ZO6wQ
https://www.youtube.com/watch?v=2piotEkf_Ck
4. Auschecken
Begrüßt die Teilnehmenden beim Zurückkommen und fragt, wie sie sich fühlen. Führt eine kurze Reflexions- oder Feedbackrunde durch (wenn ihr möchtet und Zeit zur Verfügung steht). Lasst ein paar offene Fragen übrig, die die Teilnehmenden mitnehmen können, bevor sie sich verabschieden. Stellt die Fragen in den Chat.
(Unser Beispiel:)
Wir hoffen, dass Ihr diesen kleinen Zwischenraum heute genossen habt. Bevor wir uns verabschieden, möchten wir ein paar offene Fragen oder Gedanken teilen, die Ihr mit in den Tag nehmen könnt.
Welche Art von Bewegung, Handlung oder Stille ermöglicht es uns, Spannungen in unserem Körper (mental, physisch, emotional) zu lösen?
Wo sind die Stellen in unserem Körper, mit denen wir uns verbinden und beschäftigen können, wenn wir uns sicher und geerdet fühlen wollen?
Was können wir für unseren Werkzeugkasten im Hinblick auf Care und Spiel mitnehmen, das uns beim Führen von Gesprächen während dieses Festivals und darüber hinaus unterstützt?
Abschließende Gedanken:
Wie kann kollektive Fürsorge in die Struktur von Kunstvermittlungsprozessen integriert werden? Hier sind einige Fragen für zukünftige Räume, ob sie nun dazwischen liegen oder nicht.
1. WAS? – Was ist ein physischer/digitaler/hybrider Raum? Wie sieht er aus? Welche Bedürfnisse werden damit angesprochen?
2. WIE? – Wie werden dort Ressourcen gesammelt, produziert und verteilt? Wie wird Wissen geteilt?
3. WER? – Für wen ist es bestimmt? Wer spricht? Wem wird zugehört? Wie ist die Macht/Verantwortung verteilt?
Was sind weitere Fragen, die ihr vielleicht habt?