Nello Fragner
Vor mir sehe ich zwei Türen und zwischen ihnen eine Wand.
Ich muss mich für eine Tür entscheiden, denn ich muss dringend pinkeln.
Manche Leute sehen in meinem Gesicht und meinem Körper einen Jungen, und manche sehen eine junge Frau. Auf beiden Toiletten werde ich regelmäßig darauf hingewiesen, dass ich falsch bin. Wie wird es diesmal laufen?
Das zweigeteilte (binäre) Geschlechtersystem sagt aus, dass es Männer und Frauen gibt, mit typisch männlichen und typisch weiblichen Fähigkeiten und Eigenschaften. Dieses System ist aber nicht einfach da, sondern wird in vielen kleinen Handlungen Tag für Tag »gemacht«. Wenn ich meinen Gesprächspartner als Mann oder als Frau wahrnehme, leitet sich daraus eine Menge ab: welche Interessen ich bei dieser Person vermute, ob mir ihr Nagellack komisch vorkommt, ob ich die Stimme zu hell oder zu tief finde. Kleidung, Formulare, Dating-Apps – Zweigeschlechtlichkeit begegnet uns überall.
Wir alle werden bereits vor unserer Geburt als männlich oder weiblich eingeordnet – per Ultraschall und nach einem kurzen Blick zwischen unsere Baby-Beine. Doch Geschlecht als Paket, das von der Natur geliefert wird, gibt es nicht. Im Lauf der Geschichte wurde Geschlecht immer wieder neu erklärt. Im Moment wird Geschlecht über die Chromosomen bestimmt, doch gerade diese zeigen, dass es viel mehr Geschlechter gibt als Frauen und Männer. Auch Ärzt*innen sind sich nicht einig, was genau Geschlecht eigentlich ist, aber es wirkt sich auf unser ganzes Leben aus.
Passen Menschen nicht in das Zweigeschlechtersystem, erfahren sie Verwirrung, Ablehnung und Gewalt. Manchmal dürfen sie gar nicht erst geboren werden, oder werden bereits als Babys durch Operationen und Hormone an das System angepasst. Wenn Menschen außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit leben, zeigen sie damit auf, dass dieses System nichts Natürliches ist: Wir interessieren uns nicht für Autos oder können gut kochen, weil uns das angeboren ist, sondern weil wir jeden Tag hören, dass es so sein sollte.
Website von transinterqueer. URL: http://www.transinterqueer.org/unsere-
publikationen/ [11.12.2022].
Website von deutschlandfunk. URL: http://www.deutschlandfunk.de/geschlechtergrenzen-zwischen-mars-und-venus-ist-noch- platz.740.de.html?dram%3Aarticle_id=370482 [11.12.2022].
Website Queer Lexikon. URL: https://queer-lexikon.net/wp/ [11.12.2022].
Facebookgruppe Geschlechterpädagogik. URL: https://www.facebook.com/groups/geschlechterpaedagogik/?hc_ref=NEWSFEED [11.12.2022].
Website Ach so ist das. URL: http://www.achsoistdas.com/ [11.12.2022].
Website Pink stinks. URL: https://pinkstinks.de/schule-ohne-sexismus/ [11.12.2022].
Gabel, Lyo (2015): Intergeschlechtlichkeit und andere Identitäten aus queer-feministischer Perspektive. Wie das Konzept von Heteronormativität
ein Verständnis des gesellschaftlichen Umgangs mit Intergeschlechtlichkeit
(und anderen Identitäten) ermöglicht und Perspektiven für die Soziale Arbeit eröffnet. Unveröffentliche Bachelorarbeit an der Alice Salomon-Hochschule für Sozial--
arbeit und Sozialpädagogik, Berlin.